Weniger Schadstoffe, gesünder Leben, hochstehende Medizin und sicherer Verkehr schlagen in den letzten Jahrzehnten deutlich zu Buche mit länger andauernder Gesundheit: Ab dem AHV-Alter arbeitet die Statistik für uns. Den Zürcherinnen und Zürchern – in Basel und Bern wohl auch – stehen ab dann gegen sechs gesunde Lebensjahre mehr bevor als noch in den 80er Jahren. 

Es lohnt sich also auch in dieser Hinsicht, dass

  • die Stickoxidbelastung innert eines Jahrzehnts fast halbiert wurde,
  • wir uns öfter bewegen,
  • mehr Gemüse und Ballaststoffe essen und
  • beim motorisierten Verkehr viel in Temporeduktionen investiert haben.

Sodann können wir der Statistik weiter nachhelfen und auch auf unser individuelles Konto «einzahlen».

Nebst Bewegung gehören Vereinsleben und Frischkäse zu den Zauberwörtern. Die neuste Altersforschung, made in Zürich, zeigt, dass der individuelle Effort sich selbst dann noch positiv niederschlägt, wenn man schon 80 ist – sei es

  • in geringerer Sturzgefahr,
  • tieferem Demenzrisiko,
  • besserer Laune,
  • stärkerem Immunsystem
  • und was der schönen Dinge mehr sind.

Dieser Blog widmet sich der Frage, was wir jetzt fürs lebensfrohe Alter tun sollten. Der Witz am Frischkäse ist übrigens sein besonders hoher Proteingehalt und das bei wenig Fett, was nicht nur die Muskeln mögen, sondern auch die Hirnzellen.

Von nichts kommt nichts

Die nächste gute Nachricht ist der Einfluss von Sozialleben (da kommt der Verein ins Spiel) und Lebenseinstellung. Im hohen Alter ist Gebrechlichkeit durchaus wahrscheinlich, jedoch müssen wir darob nicht den Lebensmut verlieren. So porträtiert Marianne Pletscher in «90plus mit Gelassenheit und Lebensfreude» (Limmat Verlag 2019) zehn mutmachende Menschen. Deren Lebensfreude kommt selten von ungefähr; die Portraitierten haben früh geübt, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Ein schönes Detail am Rande: Die Idee zum Buch kam Marianne Pletscher an meinem Workshop letztes Jahr, bei dem 70 Menschen über 65 und solche im Dienst des Alters über Demenz und Sterben diskutierten und Empfehlungen erarbeiten. Zwei der Portraitierten wohnen übrigens in einem Stadtzürcher Alterszentrum und geniessen es unverkennbar. Es gibt also Menschen, die nach dem Umzug in ein Alterszentrum aufblühen, aktiver und gesünder werden. Soziale und geistige Anregung, abwechslungsreiches Essen in Gesellschaft und adäquate Bewegungsmöglichkeiten sind hier die wesentlichen Stichwörter. 

Das alles – und damit kommt die schlechte Nachricht – ist aber

  • weder gratis und schon gar nicht
  • ohne Aufwand

zu haben. Darum sind neue Denkansätze gefragt. Denn dass zu Hause bleiben günstiger ist als das Wohnen im Altersheim, stimmt nicht in jedem Fall. Macht man eine Vollkostenrechnung, dann ist die Maxime «vom Spital sofort direkt nach Hause» im Alter selten die günstigste Variante. Davon handelt auch die aktuelle Studie von Pro Senectute, die zeigt: Ein erschreckend grosser Teil alter Menschen fühlt sich in der Gesundheitsversorgung massiv diskriminiert. Oft wird ihnen der Reha-Aufenthalt vorenthalten, obwohl klar ist, dass er das Wiedererlangen guter Gesundheit ermöglicht und hilft, Pflegekosten zu senken oder gar einen Heimeintritt zu vermeiden.

Nach den grossen Sprüngen die kleinen Schritte

Interessant ist es auch, die Entwicklung der Lebenserwartung im Rückblick anzuschauen:

  • Hygiene,
  • Antibiotika,
  • Bildung und
  • Sozialversicherungen

leiteten Anfang letztes Jahrhundert annähernd eine Verdoppelung der Lebenserwartung ein. Eine grosse Errungenschaft, die aber aktuell bedroht ist – sowohl bei der Lebenserwartung als auch bei den gesunden Lebensjahren ab dem AHV-Alter. So erreicht uns eben die Nachricht, dass 2016 aufgrund von Feinstaub und anderen Schadstoffe 400'000 Europäerinnen und Europäer vorzeitig starben. Um dies zukünftig zu vermeiden, braucht es eine starke Umweltgesetzgebung. Die entsprechenden Massnahmen kosten zwar anfänglich, aber sie entlasten andernorts, auch im Gesundheitswesen. Besagte Studie besagt nämlich auch, dass verbindliche Vorschriften und lokale Massnahmen positive Wirkung zeitigen.

Wollen wir uns im AHV-Alter weiterhin auf mehr gesunde Lebensjahre freuen, müssen wir den inneren Sauhund weiterhin überwinden. Wie sich das auf breiter Basis bewerkstelligen lässt, zu dieser Frage stehen wir mit der Forschung noch am Anfang. Dass Training Spass mache, bleibt eine unbewiesene Behauptung. Und gesundes Essen ist leider teurer als einfache Kalorienzufuhr. 

Individueller und gesellschaftlicher Effort: Dran bleiben!

Wollen wir unsere zivilisatorischen Fortschritte bewahren, braucht es einen individuellen Effort – ja, täglich bewegen, ausgewogen essen, mit den Nachbarinnen und Nachbarn in Kontakt sein. Und es braucht einen gesellschaftlichen Effort – und Geld. Das ist eine Aufgabe für die Babyboomer. Sie haben statistisch eine hohe Wahrscheinlichkeit, alt zu werden. Dann wollen sie aus verschiedenen Wohn- und Unterstützungs- und Pflegeformen wählen und auf hochstehende Medizin zählen können.

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